Mein Freund, der schwarze Pfeil
Geometrisch gesehen ist es ein schwarzes Dreieck, praktisch am Baum oder am Fels ist es ein Pfeil, denn es zeigt die Richtung an: das Symbol der Markierung an Kletterzugängen. Ich nenne es gern Pfeil, weil mir im Gelände die Richtung wichtiger ist als geometrische Betrachtungen. Auf jeden Fall ist er mein Freund, weil er mich auch in der Kernzone auf schmalen Pfaden legal an Stellen führt, wo kein Wanderweg hin geht. Meist ist er auch ein guter Ratgeber. Meist, aber dazu später ...
Für den 18.Oktober hatte ich kurzfristig einen Tag Urlaub genommen, um einen seit Jahren im Hinterkopf herum geisternden Plan umzusetzen: Erkundung der Kletterzugänge im Gebiet zwischen Kipphorn und Rübezahlstiege. Bekannt waren mir bis dahin nur der Wurzelweg, das Stück Lehnsteig ganz oben von den letzten Stufen bis zum Reitsteig, die Rübezahlstiege sowie die Terrassenwege zwischen Lehnsteig und Wurzelweg. Alles Andere war Neuland. Entsprechend wichtig war heute brauchbares Kartenmaterial zur Navigation, denn Wegweiser würde ich heute nicht viele zu sehen bekommen. Sehr hilfreich waren die Kletterzugangskarten von der NP-Seite, mein ausgedruckter Pfad auf der OSM-Karte und zur Kontrolle die Schrammsteinkarte des Meisters.
Los ging's in Schmilka, etwa 8.15Uhr. Kein Mensch auf der Straße, nur ein kleiner Junge kam mit frischen Brötchen von der Mühlenbäckerei. Sonst idyllische Ruhe. Aufstieg Bergsteig, kurz nach dem Erlsgrund rechts Fischersgrund: unmarkierter Weg, seht gut begehbar, führt eigentlich nirgendwo hin, außer in das Klettergebiet am Kipphorn, aber da wollte ich ja hin. Querung der Winterbergstraße, auf der anderen Seite auf dem Kletterzugang hinauf zu den Klettergipfeln (Spätlinge, Kipphornwächter, Zufallsturm), am Fuß der Wände entlang, traumhafter Buchenwald mit verstreuten Felsblöcken, herrlich! Kletterzugang hinten wieder hinunter zur WB-Straße, diese hinunter bis zur Kehre am Schustergrund, diesem ein Stück folgend, dann rechts hinauf „meinem Freund“ folgend bis auf halbe Höhe der Poblätzschwände. Auf diesem Teilstück kann man schon etwas von „Wildnis“ erahnen, großartig! Weiter an der Langen Wand entlang, über die „Kreuzung“ der Kletterzugänge, wo es nach rechts ganz hinauf geht. Ich blieb auf dem Felsband und ... Zeitsprung Weg „vergessen“ 🙂 ... Wurzelweg, an der Stelle, wo er nach links oben in die Schlucht abbiegt. Ab hier (gegenüber Forstgrenzzeichen 330) geht der Kletterzugang auf der unteren Terrasse weiter bis zum Lehnsteig. Der Einstieg ist zur Zeit beschwerlich, weil der Wurzelteller einer umgestürzten Buche den Weg stark einengt und außerdem „meinen Freund“ verdeckt. Zum Glück kannte ich die Stelle noch von 2011. Terrassenweg sehr abwechslungsreich, auf der rechten Seite zwei beeindruckende Felskessel, vorher uralte Buchen, die „aus dem Fels“ wachsen, traumhaft. Etwas gefiel mir aber gar nicht: neben der Boofe in der Nähe vom Lehnriff befand sich eine geballte Ladung menschlicher Hinterlassenschaften in festem Aggregatzustand! Auf Felsuntergrund! Einfach nur ekelhaft. Kann man das denn nicht anders lösen ... Sand ... abdecken ... Für mich sind die nicht sozial, sondern as..... .
Am Lehnriff traf ich heute nach knapp 3 Stunden die ersten Menschen (wenn ich den Jungen in Schmilka nicht mitzähle). Weiter bis Lehnsteig. Kurz nach der Einmündung ein paar Schritte aufwärts kommt von links die Fortsetzung des Kletterzugangs, wo man weiter auf der unteren Terrasse bis in den Heringsgrund käme. Mich zog es aber heute auf die obere Terrasse, deshalb Lehnsteig ganz hinauf, oben Rast links auf dem kleinen Felsplateau, danach weiter ein kleines Stück Lehnsteig, wo gleich nach dem Stein mit der Nummer 306 auf der linken Seite der Kletterzugang hinunter auf die obere Terrasse führt. Hier veralberte mich „mein Freund“ zum ersten mal: Der reguläre Kletterzugang geht über einen hässlichen glatten Felsabsatz, wo ich im Zweifelsfall nicht wieder hoch gekommen wäre. Als Alternative bietet sich ein Felsspalt ein paar Meter weiter an, etwa schulterbreit, ging mit Rucksack gerade so. Weiter Kletterzugang auf der oberen Terrasse: berauschend, immer wieder fantastische Ausblicke, aber auch großartiges Naturerlebnis. Die Euphorie steigerte sich, bis ... ja, bis ich zum ersten mal ernsthaft zweifelte, ob “mein Freund“ wirklich mein Freund ist! Ich war an der Passage in der Nähe des Märchenturms angekommen, wo der Kletterzugang vorn um das mächtige Felsmassiv herum geht: auf einer Schräge aus blankem Fels! Der schwarze Pfeil (angeblich mein Freund) an dieser Stelle ließ keine Zweifel aufkommen: Hier geht's lang. Aber nicht mit mir. Mein Kopf schaltete von Euphorie um auf Verstand und befahl: „Kehr um!“ Diesen Befehl führte ich sofort aus. Etwas traurig war ich schon, aber schließlich suchte und fand ich einen Weg „oben herum“, verbunden mit den entsprechenden zusätzlichen Höhenmetern, und kam doch noch auf dem Kletterzugang auf der anderen Seite an. Das letzte Stück obere Terrasse bis hinüber zur Rübezahlstiege war mit seinen traumhaften Ausblicken noch mal ein wenig Entschädigung. Dass ich die letzte Ecke an der Rübezahlstiege nicht herum gehen würde, stand von Vornherein fest, denn diese garstige Passage hatte ich bei jedem Besuch der RZ-Stiege misstrauisch beäugt und jedes mal gedacht: wie soll man denn dort durchkommen?! Also zurück, den Kletterzugang in der Schlucht neben dem Märchenturm hoch, die Schneeberger Aussichten besuchen, Fernsicht war wahrscheinlich noch im Urlaub, jedenfalls war sie nicht da 🙁 Weiter bis zum Lehnsteig, rechts, die ersten Stufen hinunter, beim ersten Rechtsknick zweigt nach links der Kletterzugang ab, ganz kurz bergauf, dann durch ein Felstor hinunter und weiter auf schönen Pfaden (Umrundung der „Fünf Gipfel“, dort schöner Höhlendurchgang) auf der oberen Terrasse hinüber bis zum Wurzelweg, wo man gegenüber dem Wurzelborn ankommt (Wurzelborn trocken). Wurzelweg hinunter, nach der Stützmauer spitz nach links in den Neuweg (auch als Kletterzugang markiert), diesen bis zum Kletterzugang, der direkt bis ganz hinauf in die Poblätzschwände führt (ich nannte diesen Weg heute mal Direttissima, am Ende so einer Tour nicht mehr das, was man unbedingt braucht ...). Wie kann man denn in einer so engen Schlucht noch einen Zick-Zack-Weg anlegen? Beeindruckend. Kurze Erkundung der Hochfläche zwischen den Klettergipfeln, dann ... Zeitsprung ... Weiberfähre, hinüber zur Kipphornaussicht, wo ich im vorletzten Sonnenlicht des Tages noch mal Rast machte (auch ohne Fernsicht beeindruckend, die Umrisse der Zschirnsteine war das Weiteste, was ich sah). Im letzten Sonnenlicht schritt ich den Bergsteig hinab, den ich bis dahin auch nur vom Namen her kannte. Diese Buchenwälder im Gegenlicht der letzten Sonnenstrahlen hatten noch mal etwas Mystisches, vielleicht auch, weil ich ganz allein unterwegs war. Es war schon fast unwirklich. Nur meine Knie riefen mich mittlerweile ab und zu in die Wirklichkeit zurück. Trotzdem kam ich berauscht und mit Glückshormonen angefüllt in Schmilka an und trat entspannt den Heimweg an ...
Fazit:
1. Es ist gut, wenn man Freunde hat, in diesem Fall war es der schwarze Pfeil, der mich (meist)
treulich geführt hat. („Treulich geführt“, da war doch was? Ach ja, aber Herr Wagner hatte ja
auch seine Freude an dieser mystischen Gegend ...)
2. Man kann sich nicht immer blind auf seine Freunde verlassen, Stichwort Märchenturm ... 🙁
3. Alle markierten Kletterzugänge dürfen von jedem begangen werden, aber mindestens ein
Sandsteinjünger getraut sich nicht, alle zu begehen 🙂 (Haupterkenntnis dieser Tour)
4. In reichlich 9Stunden 4 Wanderer (Lehnsteig und Kipphornaussicht) und an drei Stellen Kletterer
getroffen, ansonsten gehörte das Märchenland mir allein ...
5. Die Bilder und Naturerlebnisse waren überwältigend, die Gefahr, „Wiederholungstäter“ zu
werden, ist riesig.
Mit einem Wort, was sage ich, mit vier Worten: Es war eine Traumtour 🙂
PS: Ich brachte es nicht über's Herz diese schöne Tour für mich zu behalten, hoffentlich nicht zu
viel Text, kürzer ging es aber wirklich nicht ... Vielleicht findet ja die oder der Eine oder
Andere Anregungen für eigene Projekte, dann hätte ich mein Anliegen erreicht.
Falls doch zu lang geraten, sagt es mir, werde es dann in Zukunft vermeiden 🙂
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