Heute in der SZ:
Touristenattraktion Decin
Für ihr Image als Ausflugsziel investiert die Stadt immer mehr Geld. Neuester Coup: ein zentraler Klettersteig.
Von Steffen Neumann
Die Schäferwand mitten in Decin (Tetschen) soll noch mehr Besucher anlocken. Fast 750000Menschen kommen jedes Jahr in die Stadt. Sie entwickelt sich immer mehr von einer Industriestadt zu einem Touristenmekka. Der neue Klettersteig an der Schäferwand soll weiter dabei helfen.Decin (Tetschen) kurbelt den Tourismus an. Der neue Klettersteig an dem Schäferwand (Pastyrska stena) genannten Felsen mitten in Decin soll weitere Besucher in die Stadt locken.Foto: Stadt Decin
Die Schäferwand mitten in Decin (Tetschen) soll noch mehr Besucher anlocken. Fast 750000 Menschen kommen jedes Jahr in die Stadt. Sie entwickelt sich immer mehr von einer Industriestadt zu einem Touristenmekka. Der neue Klettersteig an der Schäferwand soll weiter dabei helfen.Foto: Stadt Decin
Wer sich am kommenden Wochenende nach Decin (Tetschen) aufmacht, wird eine feiernde Stadt erleben. Auf dem Schloss findet ein historischer Markt mit Ritterturnieren statt. Parallel verschönert die Blumenmesse Decinska kotva (Tetschener Anker) das Schloss. Auf dem Masarykplatz (Masarykovo nam) startet vormittags ein Oldtimerrennen. Und auf dem neuen Campingplatz unter der vierspurigen Elbbrücke wird die Fertigstellung des Elberadwegs nach Usti nad Labem (Aussig) gefeiert. Außerdem wird der neue Radweg an der Ploucnice (Polzen) Richtung Benesov nad Ploucnici (Bensen) eröffnet.
Dass die Elbestadt für Touristen immer attraktiver wird, hat ihr eine neue vom Magistrat in Auftrag gegebene Studie bescheinigt. Sie profitiert dabei von ihrer günstigen Lage nahe des Nationalparks Böhmische Schweiz, der jedes Jahr von knapp 750000 Menschen besucht wird. Auch Ziele im Erzgebirge, dem Böhmischen Mittelgebirge und dem Elbsandsteingebirge sind von Decin aus gut zu erreichen. Inzwischen kann aber auch die Stadt selbst Jahr für Jahr mehr Touristen anlocken. Letztes Jahr zählten die wichtigsten Besucherziele insgesamt fast eine halbe Million Gäste. Hotels und Pensionen verbuchten 200000 Übernachtungen.
„Zu uns kommen mehr Touristen, weil neue Attraktionen in der Stadt entstanden sind“, erklärt Magistratssprecherin Marketa Lakoma. So führt der Elberadweg viele neue Gäste in die Stadt. Letztes Jahr wurden auf der Strecke im Stadtgebiet knapp 80000 Radfahrer gezählt, ein gut Teil aus dem Ausland.
Auch eines der beliebtesten Ziele der Stadt, das Schloss, wurde erst in den letzten Jahren nach umfangreicher Sanierung zugänglich gemacht. Die neuen Attraktionen, zu denen auch die Elbeschifffahrt und die im Volksmund Ziegenbahn genannte Bahnstrecke am Fuße des Erzgebirges gehören, ergänzen die seit Jahren bestehenden Angebote wie den Bergzoo, das Gebietsmuseum vis-à-vis vom Hauptbahnhof und die Synagoge. Mit Abstand größter Besuchermagnet ist aber der Aquapark, der im letzten Jahr allein rund 220000 Besucher zählte. Erst 2001 eingeweiht gehört er mit seinen acht Becken zu den größten Tschechiens. Für die Stadt ist die wachsende Bedeutung des Tourismus ein wichtiger Bestandteil in der mittelfristigen Planung. Denn die Industrie, die noch vor 20 Jahren größter Arbeitgeber war, hat viel von ihrer Stärke eingebüßt. Große Werke, wie der Hersteller von Aufzügen Desta oder die Schokoladenfabrik Diana wurden geschlossen. Auch in anderen Bereichen, wie der Binnenschifffahrt wurden viele Arbeitsplätze abgebaut. Anders im Tourismus. „Dieser Zweig wächst langfristig und damit die Chance neuer Arbeitsplätze“, konstatiert Stadtsprecherin Lakoma. Zum Beispiel in der Hotellerie. Mit den Hotels „Brana Cech“ und „Vyprez“ sind in den letzten Jahren gleich zwei größere Häuser entstanden.
Viele neue Arbeitsplätze entstanden auch in der alten Brauerei, die zum Einkaufszentrum umgebaut wurde. Die Shopping-Meile im sensibel sanierten Industriebau und das neue Brauhaus sind nach Meinung von Marketa Lakoma selbst zu neuen Anziehungspunkten der Stadt geworden.
Neue Attraktionen sind geplant
Und auch die Stadt trägt aktiv dazu bei, neue Touristen anzulocken und sie länger in Decin zu halten. So ließ sie einen Klettersteig an der Schäferwand (Pastyrska stena) einrichten. Er wird nächste Woche offiziell eröffnet. Das ist durchaus etwas Besonderes, wie Marketa Lakoma meint: „Wo gibt es sonst noch einen Klettersteig mitten in einer Stadt?“, fragt sie. Und irgendwie passt das ja auch zu einer Stadt, die sich selbst als das Tor zur Böhmischen Schweiz mit ihren vielen Kletterfelsen sieht.
Doch nicht nur die Stadt sorgt für eine bessere touristische Infrastruktur. Die tschechische Hafengesellschaft plant im kommenden Jahr einen Anleger für private Sportboote. Um den touristischen Standard zu heben, sind aber auch Investitionen nötig, die über die derzeitigen Möglichkeiten der Stadt hinaus gehen. Helfen sollen Fördermittel der Europäischen Union. Um sie optimal auszuschöpfen, will die Stadt für den neuen Förderzeitraum gut vorbereitet sein. Deshalb gab sie die eingangs erwähnte Studie in Auftrag. „Sie soll in die neue Strategie bis 2020 einfließen“, sagt Sprecherin Lakoma. Teil der Strategie war auch eine Umfrage unter Decins Einwohnern. „Die Menschen interessieren sich zwar weniger für Tourismus, als für Ordnung und Sicherheit. Aber wenn wir die Situation hier verbessern, sind wir auch für unsere Gäste attraktiver“, weiß Lakoma.
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